Neben der Altersrente ist die Berufsunfähigkeitsrente die zweite wichtige Leistung, die das Versorgungswerk der RA NRW erbringt. Sie dient als Einkommensersatz, wenn ein Rechtsanwalt krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, anwaltlich tätig zu sein. Die genaue Definition schauen wir uns im Folgenden noch an. Nach dem Mitgliederbestand (am 31. Oktober 2024) leistet das Versorgungswerk in NRW 299 Berufsunfähigkeitsrenten. Bei einer Anzahl von 37.325 Mitgliedern sind es gerade einmal 0,8% der Mitglieder, die eine Berufsunfähigkeitsrente bekommen! Laut dem Gesamtverband der Versicherer (GDV) wird allerdings jeder vierte Beschäftigte in Deutschland (25%) im Laufe des Berufslebens mindestens einmal berufsunfähig. Entweder sind die Mitglieder vom Versorgungswerk der RA NRW gesünder oder die Hürden, eine Berufsunfähigkeitsrente im Krankheitsfall zu erhalten, sind schlicht zu hoch.
Die zwei Hauptvorteile der BU-Rente aus dem Versorgungswerk NRW sind:
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Es wird keine Gesundheitsprüfung gefordert: Sie müssen als Rechtsanwalt keine Fragen zu Ihrem Gesundheitszustand beantworten, anders als bei einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung. Jedes Mitglied wird versichert. Das ist vor allem für Anwälte ein Vorteil, die aufgrund von Vorerkrankungen eine private Berufsunfähigkeitsversicherung gar nicht abschließen können. Ob diese niedrige Zugangsbarriere für das Kollektiv langfristig sinnvoll ist, ist eine andere Sache. Mitglieder mit Vorerkrankungen werden aufgenommen und das könnte bei zu vielen Leistungsfällen zu Kostensteigerungen führen und das Versorgungswerk belasten.
Kann die Berufsunfähigkeitsrente aus dem Versorgungswerk eine private Berufsunfähigkeitsversicherung ersetzen? Nein, auf keinen Fall!
Das ist auch nicht das Ziel dieser integrierten Berufsunfähigkeitsrente aus dem Versorgungswerk. Es ist ein Basisschutz und zusätzlich sollte eine private BU-Versicherung ergänzt werden. Nur dadurch können Sie als Rechtsanwalt Ihr Einkommen im Krankheitsfall sicher auffangen. Warum das so ist, schauen wir uns anhand der folgenden 3 Aspekte an und vergleichen die BU-Rente aus dem Versorgungswerk mit einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung:
1) Wann bekommen Sie die Berufsunfähigkeitsrente aus dem Versorgungswerk der NRW?
Aus der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte NRW können wir im §18 lesen, wann die BU-Rente geleistet wird:
Quelle: Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte NRW

Wie regelt das eine private Berufsunfähigkeitsversicherung?
Schauen wir uns im folgenden Beispiel an, welche Regelungen ein BU-Versicherer in den Versicherungsbedingungen festgelegt hat:

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Der Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente besteht bereits, wenn Sie Ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr zu mindestens 50 Prozent ausüben können (= 50%-ige Berufsunfähigkeit). Diese Voraussetzung ist deutlich einfacher zu erfüllen. Beim Versorgungswerk der RA NRW würde eine 50%-ige Berufsunfähigkeit nicht ausreichend sein, um die Leistung zu erhalten.
Der Zugang zur Berufsunfähigkeitsrente erfolgt als Anwalt mit einer privaten Absicherung somit deutlich schneller und es wird in den Bedingungen klarer formuliert. Zudem wird in den obigen Bedingungen des privaten Versicherers auf die abstrakte Verweisung verzichtet. Das bedeutet, dass die Versicherung Sie nicht auf einen anderen Beruf am Arbeitsmarkt verweisen kann, der aufgrund Ihrer Ausbildung und Fähigkeiten theoretisch ausgeübt werden könnte.
2) Wie hoch ist die Berufsunfähigkeitsrente aus dem Versorgungswerk NRW und reicht es aus?
Hierfür schauen wir im Mitgliederrundschreiben 2024/2025 des Versorgungswerks der RA NRW. Ein Rechtsanwalt, der den Regelpflichtbeitrag einzahlt (der aktuell höchstmögliche Beitrag von 1.497,30 € im Monat, das sind 18,6% von 8.050 € Monatseinkommen) hätte bei einem Eintrittsalter von 30 Jahren einen Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente von 3052,50 €:
Quelle: Mitgliederrundschreiben des Versorgungswerks der Rechtsanwälte NRW

Im Berufsunfähigkeitsfall würde die Rente dieses Anwalts gerade mal ca. 38% des Einkommens auffangen! Aufgrund der Inflation würde die BU-Rente des Versorgungswerks der RA NRW mit der Zeit an Wert verlieren, da die Rentenanpassungen des Versorgungswerks wahrscheinlich zu gering wären.
Bei der ausgewiesenen BU-Rente des Versorgungswerks der RA NRW handelt es sich um eine Bruttorente. Das bedeutet, dass folgende Faktoren die Rente schmälern:
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Steuern: Eine Berufsunfähigkeitsrente aus einem Versorgungswerk wird der sogenannten Schicht 1 zugeordnet und nach § 22 Abs.1 Satz 3 EStG versteuert. Die Versteuerung der Rente erfolgt dabei voll mit dem persönlichen Steuersatz! Beziehen Sie als Rechtsanwalt beispielsweise die Rente im Jahr 2028, müssen 85% der Rente mit dem persönlichen Steuersatz versteuert werden. Die Steuerbelastung fällt bei einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung dagegen kaum ins Gewicht.
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Private Altersvorsorge: Um im Ruhestand weiterhin ein ausreichendes Vermögen zu haben, müssten Sie einen Teil aus der Berufsunfähigkeitsrente privat investieren. Sicherlich nicht ganz so einfach, wenn die Rente nicht reicht, um den bisherigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten.
Welche Rentenhöhe ist mit einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung möglich?
Mit einer privaten BU-Versicherung können Sie als Rechtsanwalt den Einkommensausfall deutlich besser auffangen. Viele Anbieter bieten grundsätzlich die Möglichkeit, bis zu einer bestimmten Grenze 60% vom Bruttoeinkommen abzusichern. Achtung! Je nach Anbieter und Rentenhöhe muss gegebenenfalls die Berufsunfähigkeitsrente aus dem Versorgungswerk zu 50% angerechnet werden, wodurch Ihre private Absicherungshöhe in der Höhe begrenzt ist. Wie genau Sie als Rechtsanwalt hierbei vorgehen, erfahren Sie auch bei uns in einer persönlichen Beratung.
Hinzu kommt, dass Sie durch verschiedene Instrumente bessere Rentenanpassungs- und Inflationsausgleichoptionen haben. Durch eine Beitragsdynamik, die unbedingt im Vertrag enthalten sein sollte, erhöht sich Ihre Rente jährlich um den vereinbarten Prozentsatz, zum Beispiel um 3% oder 5%. Es dient als Inflationsausgleich. Genauso wichtig ist die garantierte Rentensteigerung, auch Leistungsdynamik genannt. Durch dieses Instrument wird garantiert, dass sich Ihre Rente auch weiterhin nach einer Berufsunfähigkeit jährlich um den vereinbarten Prozentsatz erhöht. Sollte die Berufsunfähigkeit lange andauern, ist die garantierte Rentensteigerung Goldwert. Durch Nachversicherungsgarantien haben Sie die Möglichkeit, bei bestimmten Ereignissen, wie beispielsweise der Geburt eines Kindes oder einer Heirat, die Rente in der Höhe anzupassen.
3) Wie sieht es um die Rechtssicherheit im Leistungsfall aus?
Wenn man die Regelungen in der Satzung des Versorgungswerks der RA NRW, aber auch anderer Versorgungswerke den Versicherungsbedingungen privater Berufsunfähigkeitsversicherer gegenüberstellt, fällt auf, dass die Regelungen der Versorgungswerke sehr dürftig gehalten sind. Es gibt einen großen Interpretationsspielraum aufgrund vieler unbestimmter Rechtsbegriffe und Formulierungen, was zu einer großen Rechtsunsicherheit bei der Beantragung der Berufsunfähigkeitsrente führen kann. Die Regelungen in den Versicherungsbedingungen privater Berufsunfähigkeitsversicherer sind umfangreicher und kundenfreundlicher gestaltet. Selbstverständlich müssen hierbei auch die Versicherer ins Detail verglichen werden, da es große Unterschiede im Leistungsumfang gibt.
Aufgrund der hier aufgeführten Lücken, die Sie als Mitglied des Versorgungswerks der RA NRW haben, ist der Abschluss einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung extrem wichtig. Dass das Versorgungswerk nicht so einfach leistet, ist aber nachvollziehbar. Als Rechtsanwalt sind Sie ohne eine gesundheitliche Risikoprüfung versichert. Zu viele Berufsunfähigkeitsfälle wären für das Versorgungswerk sicherlich eine große finanzielle Herausforderung.